Freitag, 24. Januar 2014

Midi tanzt den Zumba


Egal wie griesgrämig man gerade drauf ist, nach zehn Minuten Zumba, geht einem im Herzen die Sonne auf. Achtung, fertig, Zumba und schon tanzt man mit dreissig anderen Frauen mit viel Hüftwunder dem Sonnenuntergang im imaginären Club Med entgegen, obwohl es nur eine bitterkalte Dezembernacht in einem Altersheim-Aktionsraum in Zürich-Hottingen ist. Könnte mich mal bitte jemand ins Füdli chlüben, denn ich habe das Gefühl, ich träume. (Autsch!) Doch nein, es ist war. Ich stehe hier tatsächlich zwischen vielen leicht bekleideten Damen welche sich synchron im Takt der Musik durch verschiedene Choreos bewegen und liebevoll darüber hinwegsehen, dass ich ein absoluter Fremdkörper bin. Denn ja, etwas stimmt hier nicht. Himmel! Ich bin tatsächlich eine begeisterte Zumba-Tante, gefangen in einem Männerkörper. Wie zur Hölle konnte das geschehen?

Wie immer, hatte ich absolut keine Lust mich körperlich irgendwie anzustrengen, geschweige denn, schwierigen Zumba-Schrittfolgen zu folgen. Ich denke, sie können mir folgen. Wie immer, wenn das Fallbeil für die nächste Folter einer anstehenden Fit-for-Life-Kolumne niedersaust, werde ich, und das sollte dieses Mal nicht anders sein, zur fleischgewordenen Unlust. Wenn Unlust Leute wäre, wäre ich China. Okay? Okay. Aber eben, sie würden diese Zeilen hier nicht lesen können, hätte ich mich nicht einmal mehr dazu überwunden, dem inneren Schweinehund eine reinzuhauen. Doch es tat, wie immer, grässlich weh.

Um Punkt 21Uhr stand ich brav zwischen etwa dreissig Frauen und fügte mich der Gewalt der Gezeiten. Herrin der Gezeiten war Nancy Staub, ein unscheinbares Energiebündel, welches innert Sekunden zur bösen, drahtigen Zumba-Kampfmaschine mutieren konnte. Wäre die gute Nancy nicht im fünften Monat schwanger gewesen, hätte ich eine prima Erklärung dafür gehabt, ihrem Pace nicht folgen zu können. Aber eben, sie war im fünften Monat schwanger – und ich nicht. Sie war eine Frau und ich nicht. Sie konnte Zumba und ich nicht.

Üblicherweise würde ich ungefähr an dieser Stelle meiner Kolumne mit der Aufzählung beginnen, was ich in meinen jeweiligen sportlichen Abenteuern so an Übungen durchgepowert habe. Aber so stark ich mich auch konzentriere, mir kommt einfach nichts mehr in den Sinn von all dem, was ich in diesen 60 Minuten Zumba gemacht habe. Oder soll ich besser sagen, nachgemacht habe? Oder soll ich besser sagen, versuchte nachzumachen? Von der ersten Minute an war nämlich mein, schon von Natur aus unterdurchschnittlich ausgestattetes Bewegungszentrum meines Gehirns, überfordert mit der Aufgabe alle Schrittkombinationen korrekt nachzustolpern. Stetig war ich eine Nanosekunde im Hintertreffen, was in meiner Birne einen „Constant Error“ auslöste. Dazu prasselten auf meine Ohrmuscheln dezibelgeschwängerte Afro-Rhythmen ein, welche meine Konzentration fürs Wesentliche zusätzlich verringerten um nicht zu sagen pulverisierten. Und die Tatsache, dass sich in jedem möglichen Blickfeld (ich stand in der Mitte des Raumes) tanzende Frauen befanden, liess mein einfaches Männergemüt etwa auf den Intellekt eines aufgeschäumten Ackergauls schrumpfen, der zur Befruchtung bereit steht. Kein schönes Bild. Gebe ich zu. Aber die Karikatur von Swen bringt die Situation so ziemlich auf den Punkt.

Aber, und jetzt kommt das Bemerkenswerte, egal wie benommen und lendentaumlig ich mich durch die Zumba-Choreos kämpfte und dabei meine Menschenwürde haufenweise ins eigene Grab schaufelte, je länger ich das tat, je glücklicher wurde ich. Ja, sie haben richtig gehört. Zumba macht glücklich. Nicht Geld, Gold oder Geiz, nein Zumba. Es muss irgend etwas mit den sich stetig wiederholenden Bewegungsabläufen zu tun haben. Da entstand dieses wohlige Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl. Nach jeder Tanzsalve gab’s eine kurze Verschnaufpause mit eingebautem Applaus, den wir uns selber schenkten. Danach ging’s gleich weiter mit einem neuen Musikstück und weiteren Tänzchen, wie früher in der Disco, einfach nüchtern - und älter.  Aber denken sie jetzt nicht, Zumba sei nicht anstrengend. Boah! Es ist anstrengend, fragen sie meine Lunge. Ich möchte ja nicht wissen, wie ich leiden würde, wenn Nancy mal nicht im fünften Monat schwanger die Stunde gibt, denn, ich Gegenteil zur ihr, setzten bei mir frühzeitige Wehen ein. Doch es war ein guter Schmerz, der sowieso laufend von meinen Endorphinen egalisiert wurde. Erst am nächsten Morgen als mein, eh schon steifes Becken, von einem bösen Muskelkater glasiert wurde, merkte ich, was ich meinem Körper angetan hatte. 

Mit den Kindern auf dem Vita Parcours


Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, mit meinen Kindern auf einen Vita Parcours zu gehen. Aber für kreative Vorschläge, um meine sportliche „Freizeit“ totzuschlagen, ist ja die „hilfreiche“ Redaktion von Fit for Life zuständig. Also packte ich meine beiden Kinder Cosmo (4) und Avery (7), Sie sehen, ich war zumindest bei der Namensgebung der Kids kreativ, ins Auto und brachte sie zum Sportplatz Fluntern, vis-à-vis vom Zürcher Zoo. Im Internet fand ich heraus, dass sich dort oben der kürzeste Vita Parcours von Zürich befand, nämlich nur gerade mal 2,2 Kilometer lang. Das sollten die zwei armen, von einer einwöchigen Grippe geschwächten Kleinsportler doch noch schaffen. Dank einer Portion Dafalgan-Sirup war das ausklingende Fieber im Nu gebannt und aus zwei toten Fliegen wurden innert einer halben Stunde zwei drahtige, böse Vita-Parcours-Bonzais.

Wir drei trugen unsere Sportklamotten und Cosmo bestand darauf, seinen Winnie Pooh mit auf den Parcours zu nehmen. Tja, was immer den Jungen vom Schreien abhält ist für mich okay. Wir teilten noch eine Banane, um den fiesen Hungerast fernzuhalten und machten uns dann guten Mutes auf den Weg zum ersten Posten. Dort dehnten wir uns mal deftig, genau so wies die Tafel von uns verlangte und so, wie wir es aus dem TV-Spot kennen, in dem ein Mann seinen Porsche über die Klippen schiebt. Die Sonne schien und die Moral der Truppe war hoch. Lachend kamen wir beim zweiten Posten an. Verschiedene Beweglichkeitsübungen standen an. Bei der Fussschaukel und den Hüpfübungen hatten die Kleinen Spass, doch beim parallelen Armschwingen in grossen Achterschlaufen bestand plötzlich grosse Gefahr, dass sie sich gegenseitig die Milchzähne aus den Kindsköpfen schlagen. Also brach ich die Übung ab und wir gingen weiter. Avery rannte wie von der Tarantel gestochen zur nächsten Tafel. Cosmo und ich joggten locker hinterher.

Froschhüpfen übers Rundholz war angesagt. Das konnten die beiden Kängurus natürlich sehr gut. Dann aber fiel Winnie Pooh auf den Waldboden und wurde etwas schmutzig. Cosmos Partylaune drohte zu kippen. Erst als ich ihm versicherte, dass wir bei jedem Stopp einen sicheren Platz für Winnie Pooh suchen, erhellte sich sein Gemüt wieder. Und weiter gings durch den schönen Frühlingswald. Avery war als Erste bei den Reckstangen. Ich platzierte Winnie Pooh, hängte die Kinder an die Stange und wartete unten darauf, dass sie wie Fallobst wieder in meine Arme fallen. Dies wiederholten wir ein paar Mal, dann war ich dran. Nach 3 1/2 Klimmzügen war die Vorstellung beendet. Zu Hause schaffe ich aber mindestens 7! Ich gab meinen schweren Turnschuhen die Schuld. Den Kindern kann man ja alles erzählen.

Averys Schritt wurde jetzt schwerer und auch Cosmo lahmte etwas. Bei Posten 5 gings wieder um Beweglichkeit. Für den Hohlrücken-Rundrücken konnte ich die Kids noch begeistern, weil das die Kätzchen auch machen, wenn sie morgens aufstehen, aber für die anderen Übungen fielen mir keine Metaphern mehr ein und prompt kam Cosmos Reaktion: „Du Papi, ich wett jetzt wieder Hei.“ Die Jugend von heute hat einfach kein Durchhaltevermögen mehr. Als ich ihm sagte, dass das nicht geht, ging die Quengelei los. Jedes Wort wurde nun stossweise betont: „Ich! mag! aber! nüme! laufe!“ Er begann mit den Beinchen zu stampfen (dafür hatte er natürlich noch Energie), was meistens der Vorläufer eines ausgedehnten Tobsuchtsanfalls ist. Schnell bot ich ihm an, dass er zu jedem zweiten Posten Huckepack auf mir reiten darf. Überraschenderweise willigte er ein. Es lebe die Diplomatie.

Wir galoppierten eine Station weiter zu den Ringen. Dran hängend mussten wir die Beine anziehen. Die Kinder machten das prima, nur bei mir zitterte etwas der Käse über dem Tessinerbrötchen. Nur nichts anmerken lassen, denn Papi ist ja der Grösste und Stärkste. Eins weiter wartete der Barren auf uns. Avery kennt das Gerät aus der Turnstunde und machte die Stütz- und Schwingübungen gut mit. Cosmo musste aussetzen, denn die beiden Holme waren zu weit auseinander für den Kleinen. Aber dafür durfte er jetzt ja wieder auf seinem Gaul reiten. Langsam ging die Huckepack-Geschichte in die Beine. Von Averys Sprinter-Euphorie war auch nichts mehr übrig. Sie lief jetzt nur noch von Posten zu Posten, was für mich mit meinen knapp 20 Kilo „Übergewicht“ auf dem Rücken voll okay war. Wir steppten, stemmten und hüpften uns durch die Posten 8, 9 und 10. Die Strecke ging nur noch bergauf und Avery fand es jetzt gar nicht mehr lustig. Sie weigerte sich strikt weitere Übungen zu machen. Ich drohte ihr damit, ausführlich über ihre „Befehlsverweigerung“ in meiner Kolumne zu berichten. Zähneknirschend machte sie weiter. Gut zu wissen, dass neu „öffentliches Blossstellen“ als Druckmittel bei ihr funktioniert. Ha!

Cosmo hatte jetzt gar keine Lust mehr auf Sport und suchte stattdessen Regenwürmer, welche er uns unter die Nase hielt. Während ich Cosmo, Winnie Pooh und einen Regenwurm eine lange Treppe hochschleppte und meiner Tochter laufend mit öffentlicher Schande drohte, erreichten wir schliesslich die letzten paar Posten. Der Sportsgeist der Kinder erwachte wieder und ehrgeizig balancierten sie über das Zick-Zack-Holz und liefen im Slalom dem Ziel entgegen. Der Einzige, der bei diesem Vita Parcours so richtig ins Schwitzen kam war ich – aber das war ja wohl auch die Absicht der „lieben“ Redaktion.

Midi überlebt das UWR


Alle Leser dieser Kolumne wissen, wenn ich das Wort „Wassersport“ nur schon höre, kriege ich Schnappatmung. Dann können sie sich wohl vorstellen, was das Wort „Unterwasserrugby“ bei mir ausgelöst hat. Richtig: Panik, garniert mit weibischen Schreisalven.

Melchior, Marcel und Niels, die das UWR-Training im Hallenbad Oerlikon leiteten, kümmerten sich wirklich rührend um mich. Als erstes kriegte ich eine verschnürbare Badekappe mit eingebautem Ohrenschutz, einen Schnorchel und Flossen. Melchior meinte, ich solle diese ABC-Ausrüstung die ganze Zeit über anbehalten, damit ich mich daran gewöhne. Okay...? Ich schaute mich um und sah, dass mittlerweile alle diese ABC-Masken aufhatten und machte mit. Melchior schickte mich ins Nass zum Einschwimmen. Nachdem ich zwei Längen abgerissen hatte, zeigte mir Melchior (Oder war es Marcel?) wie man sich unter Wasser am besten fortbewegt. Mit diesen ABC-Ausrüstung sahen im Wasser plötzlich alle gleich aus und ich war so überfordert mit der stark eingeschränkten Sicht, dass ich phasenweise nicht mehr wusste, wer mir gerade Anweisungen gab.

Wenn man unter Wasser richtig Speed aufbauen will, muss man sich wie ein Delfin bewegen. Die Arme gehen gestreckt nach vorne und so lässt man die Welle durch den Köper nach hinten zucken und fertig ist der Fleisch-Torpedo. Nach ein paar Korrekturen klappte diese Delfin-Technik auch bei mir ganz okay. Ich profitierte von meiner Fähigkeit, für längere Zeit die Luft anhalten zu können. Das war aber auch wirklich das einzige Talent, das ich mitbrachte. Dank zeitweiligem Orientierungsverlust, prallte ich auf der Schwimmbahn immer wieder in andere Trainings-Teilnehmer und mauserte mich so allmählich, sie haben’s bereits geahnt, zum Klassendepp.

Melchior (oder war es Niels?) stellte mir endlich denjenigen vor, der beim UWR die Hauptrolle spielt: den Ball. Er war rot, handlich und mit Salzwasser gefüllt – damit er sinkt. Im Einschwimm-Becken hatte ich die Möglichkeit ein paar Pässe zu „stossen“. Das fühlte sich ein wenig an wie Kugelstossen, einfach mit mehr Wasser und deutlich weniger Luft zum atmen. Gerade als bei mir etwas Party-Laune aufzukeimen drohte, kam Melchior oder Marcel mit der Hiobsbotschaft. Er offenbarte mir ganz beiläufig, dass wir nachher ins Sprungbecken wechseln werden und sich das Tor beim UWR auf einer Tiefe von 5, ich wiederhole 5, in Worten FÜNF Metern befindet. Mein Hintern lief langsam auf Grundeis und eine spontane Schnappatmungs-Attacke überkam meinen aufgeweichten Körper.

Marcel (Oder war es doch Melchior oder gar Niels?) führte mich schon mal zum Einzel-Crash-Kurs ins Sprungbecken. Während er damit beschäftigt war, die Tore am Grund des Beckens festzuschrauben, versuchte ich in alter Big-Blue-Manier runterzutauchen. Doch ein stechender Schmerz in der Stirngegend hielt mich davon ab. Melchior oder Niels gab mir den Rat, mit geschlossener Nase mal so richtig durchzupusten und nochmals runterzugehen. Danach ging’s einigermassen, schmerzte aber immer noch genug um als Spassbremse zu fungieren.

Die dreizehn 12 anderen Schwimmer stiessen dazu und wurden von Niels oder Marcel in zwei Mannschaften aufgeteilt. Ich war der Joker bei den weissen Badekappen. Beim Tschau Sepp ist der „Joker“ einer, der alles kann. Beim UWR ist der Joker einer, der nix kann und als zusätzlicher Spieler einem Team aufs Auge gedrückt wird. Nachdem Marcel, oder vielleicht auch Melchior, unsere Mannschaft auf das Spiel eingeschworen hatte, ging’s los.

Alle Beteiligten schwammen wie wild Richtung Ball, der sich in der Mitte auf dem Beckengrund befand. Ich holte tief Luft und stürzte mich mutig ins Getümmel. Da Unten ging’s zu und her wie in einem Piranha-Becken. Plötzlich bekam ich von Niels oder Melchior oder meiner Grossmutter einen Pass und hielt das erste und letzte Mal in diesem Spiel den Ball in meinen schrumpligen Fingern. Innert Sekunden spürte ich tausend Hände, Füsse und alles was dazugehört auf mir. Kurz danach war der Spuck schon wieder vorbei, denn die Meute hatte was sie von mir wollte, den Ball. Sie liessen mich verdattert und atemlos zurück. Die ABC-Ausrüstung stand mir schräg im Gesicht und ich wusste nicht mehr wo Oben und Unten ist. Als ich an der Oberfläche endlich wieder zu Luft kam war mir klar, dass ich mit dem restlichen Verlauf des Spiels nichts mehr zu tun haben werde.

Die Anderen schwammen da unten wie Delphine herum. Mit brachialem Durchsetzungsvermögen versuchten sie den Ball in den Korb zu zwängen. Wenn der Ball mal frei wurde, setzte ich halbherzig zu einem Alibi-Tauchgang an. Doch auf dem Weg nach Unten war er schon wieder weg. Ich war einfach zu langsam und mein Kopf fühlte sich an wie die U96 kurz vor dem Bersten. Also verharrte ich für den Rest des  Spiels in zunehmender Schockstarre an der Oberfläche. Ich war die „Costa Concordia“ der schweizerischen Wassersports. Aber grossen Applaus an Melchior, Marcel und Niels für den Versuch aus einem Weichei eine harte Nuss zu machen.





Im Maillot Jaune auf dem Stromer


Endlich gab mir die Redaktion mal ein Zückerchen. Ich sollte mit einem Stromer das linke Zürichseeufer unsicher machen, bis der Akku leer ist. Das klingt doch nach einer Aufgabe, der sogar ein trainingsfauler Sack wie ich, gewachsen ist.

Der Stromer ist meiner Meinung nach das stylischste Elektrobike auf dem Markt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen E-Bikes fehlt beim Stromer das verräterische „Kästchen“ mit dem Strom drin. Die Power befindet sich beim Stromer nämlich im Unterrohr des Rahmens und lässt ihn deshalb eher wie ein etwas wuchtig gebautes Mountain-Bike erscheinen. Perfekte Tarnung also. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Gallus, ein alter Bekannter und Freund der Redaktion zeigte Herz und stellte grosszügigerweise seinen Stromer für diesen Testlauf zur Verfügung. Nach einer kurzen Einführungs-Speech übergab er mir das magische Teil. Ich war schon ganz kribbelig vor Vorfreude. So muss sich wohl ein Profi-Rennfahrer fühlen, nachdem er seinen ersten Liter Eigenblut aus dem Kühlschrank geholt hat.

Passend zum Event trug ich ein Maillot Jaune um auf der Schaut-mal-wie-gut-ich-in-Form-bin-Rennstrecke neben dem Zürichsee ganz klar den Tarif durchzugeben. Denn heute würde ich hier mit Bestimmtheit auf keinen ebenbürtigen Gegner treffen – es sei denn Fabian Cancellara trainiert zufälligerweise gerade Heute in der Gegend und zerstört meinen grossen Auftritt hier. Das Display zeigte den Begriff „Economy“ an. Ich konnte also mit einer sanften Unterstützung des Stromers rechnen. Vorsichtig trat ich in die Pedalen, denn dies war mein erstes Mal auf einem E-Bike und da bringt man doch eine Portion Respekt mit. Und da war sie auch schon, diese unsichtbare Hand, die mich anschob und mir ein spontanes Jauchzen entlockte. Aber hey, schön cool bleiben, wir wollen uns ja nicht zu stark exponieren und damit berechtigte Dopingvorwürfe provozieren. Also begab ich mich mal ganz sachte und unauffällig auf die Seestrasse und rollte, halbe Kraft voraus, Richtung Horgen davon.

Auf der geraden Strecke vor mir ortete ich Nichts ahnende Opfer, die vor sich hinradelten. Ohne Mühe war ich innert kurzer Zeit mit 35 km/h unterwegs. Mein Gehirn schaltete in den „konstant-Freude-empfind-Modus“. Ich switchte die Kraft-Quelle von „Economy“ zu „Power“ und gab den Pedalen alle mobilisierbaren Oberschenkel-Watt zu fressen. Juchheissa, ging das ab! Diese horende Beschleunigung war der Hammer. Als hätte King Kong gerade hinter mir niessen müssen. Ich bretterte mit 50 Sachen über die Strasse und reichte diese armen Seestrassengümmeler so was von durch, dass die wohl für den Rest ihres Lebens erkältet sein werden. Mein Gehirn schaltete jetzt in den Da-hauts-dir-dä-Sack-id-Wüeschti-Modus. Dieser unglaubliche Speed liess mich so irrwitzig grinsen wie Jack Nicholson als er in „The Shining“ seinen Kopf durch die eingeschlagene Tür steckte. „Here’s Midi...!“

Aber trotz des erhöhten Fun-Faktors musste ich höllisch aufpassen keinen Unfall zu bauen. Denn alle Autos, welche aus den Zufahrtsstrassen in die Seestrasse einbogen, unterschätzen mein hohes Tempo und fuhren unbesorgt drauflos. Man fährt so schnell wie ein Töff, sieht aber immer noch aus wie ein Velo. In meinem Übermut hängte ich mich in den Windschatten eines Kleinlasters und donnerte mit 55 Km/h Horgen entgegen. Ich brauchte weniger als eine Viertelstunde um von der Roten Fabrik zum Bahnhof Horgen zu gelangen. Die Batterie hatte sich schon um mehr als die Hälfte entladen also kehrte ich um.

Auf dem Rückweg radelte vor mir ein ziemlich fit erscheinender Typ. Ich überholte ganz langsam und köderte ihn mit meinem Windschatten. Nachdem er „angebissen“ hatte, erhöhte ich langsam aber sicher das Tempo. Bei 47 Km/h war bei ihm Ende Feuer und er musste abreissen lassen. Aber ich brachte es nicht übers Herz ihn im Glauben zu lassen, dass er gerade von einem Irren auf einem Mountain-Bike mit etwas Hüftgold unter dem Maillot Jaune abgehängt wurde. Also liess ich mich wieder zurückfallen und beichtete ihm, dass ich mit dem Stromer gedopt sei. Vom fiesen Windschattenspiel war er immer noch ganz ausser Atem und brachte nur noch einen Satz über die Lippen: „Was choschtet das Ding?“ „Keine Ahnung!“, rief ich ihm entgegen und brauste wieder davon.

Ich wollte ja schliesslich noch die Uphill-Qualitäten des Stromers testen. Also machte ich noch einen Abstecher rüber ins Sihltal. Wie Pantani zu seinen besten Mont-Ventoux-Zeiten drückte ich das Bike mit 30 Stundis in die Passkurven. Nur der Wiegetritt entpuppte sich als Ding der Unmöglichkeit, weil da immer einer von Hinten das Bike wegschiebt. Die Anzeige für die Batterie begann zu blinken. Höchste Zeit, wieder zurück zu fahren. Beim Downhill lud sich die Batterie wieder etwas auf und trug mich noch bis Rüschlikon. „Error“ stand da auf dem Display und kurz darauf wurde ich auf den Boden der Realität zurückgeholt. Eben noch flog ich als Rocketeer durch die Gegend und jetzt war ich plötzlich nur noch ein untertrainierter Clown in einem Maillot Jeaune auf einem 25-Kilo-Bike, der sich mit Müh und Not zurück in die Stadt schleppte. Aber schön wars trotzdem. Dank dem Stromer bekam ich einen kurzen Augenschein, wies früher war als ich noch aus eigener Kraft in 1.45h um den Zürichsee flog. Aber hey, vielleicht kommt das ja wiedermal. Die Hoffnung stirbt zuletzt - aber ich wahrscheinlich vorher.

Midi beim Turmspringen


Irgendwie habe ich das Gefühl, der Fit for Life Redaktion wäre es, seis aus Gründen möglichen Personalabbaus, allmählich recht, wenn ich eines meiner sportlichen Abenteuer nicht überleben würde. Diesmal schickten sie mich nämlich ins Turmspringen. INS TURMSPRINGEN...! Alle, die meine Kolumne über den Schwimmuntericht vor etwa 2 Jahren gelesen haben, wissen, Wasser ist nicht, ich betone NICHT, mein Element. Und jetzt sollte ich aus höchster Höhe (habe ich schon erwähnt, dass ich nicht schwindelfrei bin?) in ein 6 Meter tiefes Becken (habe ich schon erwähnt, dass tiefes Wasser unter meinen Füssen meine Grundangst vor Seemonster nährt?) springen und mich im panischen Hyperventilations-Hundeschwumm wieder an Land retten. Resultat: 3 mal Todesangst innert 5 Sekunden. Gratuliere Redaktion, neuer Rekord. Aber eben – ich war alt und brauchte das Geld.

Am Stichtag ass ich ganz viel Spinat, denn Spinat verursacht bei mir innert Kürze enorme Blähungen Davon versprach ich mir den nötigen Auftrieb, der hier möglicherweise über Leben und Tod entscheiden würde. Jeden Mittwoch um 20 Uhr trifft sich ein wilder Haufen von Sprungakrobaten im Hallenbad Oerlikon zur gemeinsamen Flugstunde. Bei sommerlichen Temperaturen fuhr ich mit dem Velo vor und wankte verschwitzt und widerwillig ins Hallenbad. 26 Grad im Schatten und ich geh ins Hallenbad. Super. Mit einem flauen erster-Schultag-Gefühl im Bauch zog ich meine Surferbadehose an und ging unter die Dusche. Jetzt stand ich nass und verloren im riesigen Hallenbad – und mir war kalt. Super. Und zudem war just an diesem Datum Welt-Kuss-Tag. Nur, wer würde mich in diesem erbärmlichen Zustand noch küssen wollen? Der Beckenrand womöglich.

Die Sprungtürme im hinteren Bereich ragten wie Wolkenkratzer empor. Plötzlich sah ich wie ein kleiner Junge, ca. 12jährig, auf den 7,5 Meter Turm stieg und dort oben etwas rumlungerte. „Mein Gott, wem gehört bloss dieser Junge? Sieht denn Keiner, dass dort oben ein Kind rumturnt?“, dachte mein besorgtes Vaterherz. Ich war offensichtlich der Einzige im Hallenbad, der alarmiert wirkte. Plötzlich stand der Kleine, Rücken Richtung zum Sprungbecken, an der Turmkante und machte einen gestreckten Rückwärts-Salto samt sauberem Eintauch-Zischgeräusch. Mir lief der Hintern auf Grundeis. Wenn die Kleinen hier schon solche Dinger machen, was würden sie denn von mir erwarten?

„Hallo, mein Name ist Midi und suche die Mirjam.“, stellte ich mich schüchtern dem Grüppchen unter  den Sprungtürmen vor. „Das bin ich.“, sagte eine grossgewachsene Brünette mit einem Ich-weiss-mein-Kleiner-du-machst-dir-hier-fast-in-die-Hosen-aber-es-kommt-schon-alles-wieder-gut-Lächeln im Gesicht. Ich warnte Mirjam davor, dass ich im Schwimmen eine Niete sei und sie meinte schelmisch, man müsse hier gar nicht schwimmen können. Haha, sehr lustig. Beim Einturnen auf einer Mattenbahn, musste ich gleich einen Run von drei Purzelbäumen hintereinander hinlegen. Danach war mir schwindlig. Verlegen lächelte ich mein Getorkel weg und machte darauf ein paar Rückwärts-Purzelbäume. Danach gings wieder mit dem Schwindel. Darauf wurde ein Rückwärts-Purzelbaum mit etwas Schwung und anschliessender Kerze welche in einem Kopfstand endete von mir verlangt. Und siehe da, ich schaffte es nach 3 Versuchen. Die Gruppe staunte und mein Selbstvertrauen wuchs um ein paar Zentimeter.

Anschliessend zeigte mir Mirjam auf einem riesigen Trampolin, wie man einen korrekten Absprung macht. Rechtes Bein Schritt nach vorn, Sprungbein anwinkeln, Arme acapulcomässig gestreckt nach aussen und dann mit einer schwungvollen Aufwärtsbewegung abspringen. Nachdem ich diesen Bewegungsablauf etwas verinnerlicht hatte, schickte Mirjam mich in die Fluten. Nicht von einem Turm und auch nicht von einem Sprungbrett sollte ich springen, nein, vom Beckenrand musste ich mittels dieser neuen Sprungtechnik in Wasser hüpfen. Wenn man das richtig macht, taucht man kerzengerade ins Wasser und wenn man das macht, schiesst einem Chlorwasser in die Birne und wenn das passiert, dann atmet man reflexmässig aus und dann merkt man, dass es bis zur Wasseroberfläche noch 4 Meter sind und man keine Luft mehr hat. Kurz: Mit „man“ meine ich mich und ich ertrank schon fast bevor ich auch nur Ansatzweise von einem Sprungbrettchen gesprungen bin. Super, läuft doch prima.

Nachdem ich etwas um mein Leben gekämpft hatte, was zum Glück ausser Gott und mir niemand bemerkte, machte ich das Selbe vom 1 Meter Brett, danach vom 3 Meter Brett und dann vom 5 Meter Turm. Mirjam gab mir immer wieder kleine Korrekturen und brauchte häufig den Ausdruck „Naturtalent“. Aber irgendwie fühlte es sich nicht so an. Mehr schlecht als recht durchlief ich die ganze Serie mit dem Köpfler und um mich herum sprangen Menschen im Ravensburgeralter (8-88) in allen möglichen Flip-Flop-Salto-Piruetten ins Wasser. Als Schluss-Bouquet forderte Mirjam mich auf vom 7,5 Meter Turm zu springen. Meine weibliche Intuition sagte mir, dass das nicht gut kommen würde. Ich hätte hier auch schreiben können: Mein Angstschweiss sammelte sich in der Dammgegend, aber das klingt einfach nicht so schön. Fazit ist: In meinem Alter macht man halt einfach nicht mehr alles was die Leute einem sagen. Aber danke für alles Mirjam, das „Naturtalent“ hat zuviel Spinat gegessen und muss jetzt abdampfen.



Midi beim Triathlon


Da stand ich also. Zitternd am Beckenrand des Freibads der Gemeinde Stettfurt, bekleidet mit einer blumigen Surfer-Badehose inmitten hochmotivierter Triathleten, alle in schnittigen Neopren-Anzügen. Es regnete und das würde auch den ganzen Tag so bleiben. Ich war die Nummer 675 und reihte mich ein, um an meinem ersten Triathlon an den Start zu gehen. 200 Meter schwimmen, 17 Kilometer Rad fahren und zum Schluss noch 4 Kilometer humpeln. Für die meisten Leser von FIT for LIFE klingen diese Distanzen wohl schon fast lächerlich, aber mir erschien dieser Triathlon in der Kategorie „Plausch“ härter als eine endlose Hindernisstrecke in einem pakistanischen Al-Kaida Trainingslager.

Auf ein akustisches Signal hin begab ich mich ins Wasser und machte mich auf den Weg, die vier Längen hinter mich zu bringen. Die erste Länge legte ich, für meine Verhältnisse, ziemlich schnell zurück. Zu schnell, wie ich dann beim zurück schwimmen bemerkte. Was sich vorher bei mir noch als Kampfgeist bemerkbar machte, verwandelte sich jetzt in puren Überlebenskampf, denn es ist nun mal ein Naturgesetz, dass ein Körper, der sich im Wasser nicht mehr bewegt, schlicht untergeht - oder eine Leiche ist. Wie auch immer, die dritte Länge schwamm ich, um etwas Entspannung zu erlangen, auf dem Rücken, wie ein Eisbär im Zoo-Becken, nur langsamer. Auf der vierten praktizierte ich dann wieder den bewährten Brustschwumm und schleppte mich so über die Distanz.

Auf dieser kurzen Strecke wurde ich schon etwa gefühlte drei Mal überholt. In Wirklichkeit waren es sieben, aber mehr als die Hälfte nahm ich während meiner Planscherei gar nicht wahr. Der Ausstieg war im Kinderbecken, dort kam man über drei Stufen an Land. Zwei Helfer standen bereit, um den Leuten, die sich überschätzt hatten - und zu denen ich mich ganz klar zählte - etwas unter die Arme zu greifen. Zum Glück, denn kaum war ich aus dem Wasser, funktionierte die Erdanziehung wieder und meine Beine sackten weg.

Jetzt rannte ich mit kleinen, vorsichtigen Schritten einen Grashügel hoch, um in die Wechselzone zu gelangen. Mit der Nummer 675 war mein Bike zum Glück gleich am Anfang der Zone positioniert. Wer weiss ob, verdattert wie ich war, ich mein Velo sonst gefunden hätte. Meine Ausrüstung war eher rustikaler Natur. Eine blaue IKEA-Tasche, gefüllt mit alten Bike-Klamotten und Wasser! Ja, Wasser, weil die Tasche ja nicht verschliessbar ist und es die letzten 45 Minuten ununterbrochen rein regnete. Super! Aber das war mir egal, denn heute würde ich ja sowieso nur einmal nass werden.

Es war ein spezielles Gefühl, sich mit Puls 170 vor so vielen Leuten splitternackt auszuziehen und in pflotschnasse Bike-Wear zu steigen. Aber das freigesetzte Adrenalin in meinem Körper senkte meine Schamgrenze deutlich. Ich wollte eigentlich nur noch weg hier, doch die feuchten Kleider zwangen mich zu einer unfreiwilligen Slapstick-Nummer. Das junge Mädchen direkt neben mir absolvierte die Wechselzone in wenigen Sekunden und liess mich verzweifelt in meiner Textil-Hölle zurück. Wie machte sie das bloss?

Irgendwann schaffte ich es, mich auf mein weisses Ibis-Bike zu schwingen und nahm die 17 Kilometer in Angriff. Gerade als ich im Begriff war, an der leichten Anhöhe hochmotiviert aus dem Sattel zu gehen, brauste von hinten das Feld der doppelten Plausch-Distanz, welches sich jetzt auf der zweiten Runden befand, heran und liess mich im Dauerregen am Hang stehen. So muss sich Jan Ullrich gefühlt haben, als er während der Tour de France 1998 auf dem Galibier Pass neun Minuten auf Pantani einbüsste. Nach der Hälfte der Strecke ging es endlich bergab, doch blies mir der Gegenwind den Regen so stark in die Rübe, dass mein Zahnstein am Halszäpfchen aufprallte. Als ich mich endlich in die Wechselzone zurückkämpfte, entledigte ich mich der überflüssigen vollgesogenen Kleider und versuchte zu rennen.

Doch irgendwie waren meine Beine noch im Pedaliermodus und zwangen mich krampfartig in eine seltsam geduckte Haltung. Der Glöckner beim Jogging. Sehr schön. Beim Aufstieg auf regennasser Fahrbahn und aufgeweichtem Terrain gabs dann aber keine Stilnoten, sondern eine Up-Hill-Schlammschlacht, bei welcher die Milchsäure in meine Beine einschoss wie Napalm. Ein paar hundert Meter nach der Anhöhe „entfaltete“ sich mein Laufstil langsam wieder zu einer einigermassen aufrechten Gangart und so konnte ich den Triathlon, zumindest rein optisch, würdevoll zu Ende laufen. Nach einem glorreichen Zieleinlauf (mit Namensnennung über die Verstärkeranlage), holte ich mir voller Stolz mein Finisher-Shirt – und zwar getrieben aus einer Mischung aus euphorischem Ehrgeiz und purer Naivität, in der Grösse S.

Midi auf dem Torrenthorn


Irgendwie hat die Redaktion rausgefunden, dass ich die Sommerferien in meinem wunderschönen Heimatort Albinen im Wallis verbringe. Also suchten mir die Schreibtisch-Sados einfach den höchsten Berg in der Gegend, nämlich das Torrenthorn (3000 M.ü.M.), heraus und beauftragten mich dort rauf zu klettern. Was die Leuchten im Backoffice aber nicht wissen konnten ist,  ich war schon des Öfteren auf dem Torrenthorn. Ha...! Das letzte Mal vor genau, warten sie mal, da muss ich jetzt kurz rechnen, äh, mein Gott - vor ziemlich genau 20 Jahren. Tja, was solls? Der Berg wird in dieser Zeit wohl kaum gewachsen sein, ganz im Gegenteil zu meiner Körpermitte. Hmpf...!

Mein primäres Problem war aber gar nicht mal die Besteigung des Torrenthorns sondern die Tatsache, dass ich mit zwei zwirbligen Kindern und meiner 82-jährigen Mutter in den Bergen war. Die Drei konnten natürlich unmöglich mit auf den Dreitausender. Also brachte ich sie auf der „Rinderhütte“, neben der Bergstation, in einem Bar-Rondell umzäunt von einem elektrischen Kuhdraht unter. Meine Liebsten in dieser Berglandschaft alleine zurück zu lassen gefiel mir nicht aber gab mir einen enormen Antrieb, die 700 Höhenmeter so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.

Auf der Wanderweg-Tafel war die Strecke mit 2 Stunden taxiert. Ich setzte mir das Ziel das Ding, wie vor 20 Jahren, in einer Stunde zu meistern. Im Dorf unten lachte sie mich aus als ich erzählte, dass ich „schnell“ aufs Torrenthorn wolle. „Ihär hüärä Grüezini wällt immer alles schnäll-schnäll machu.“, hiess es. Man prognostizierte mir mindestens 1,5 Stunden Wanderzeit. Na wenn das nicht genug Ansporn war um das letzte Quentchen Energie aus meinem minimal durchtrainierten und von Völlerei geplagten Körper zu prügeln.

Nach einer überschwenglichen Verabschiedung von meiner Familie, drückte ich „Go“ auf meiner Handy-Stoppuhr und joggte topmotiviert den Wanderweg hoch. Nach 30 Sekunden entschied ich mich, statt zu joggen, einfach schnell zu gehen, denn Beides ergab etwa die selbe Geschwindigkeit. Nach weiteren 30 Sekunden entschied ich mich von „schnellem Gehen“ in „einfaches Wandern“ zu wechseln, was eher meinem Alter entsprach. Ich trug Shorts, Turnschuhe, ein Poloshirt und eine Trainerjacke, die ich aber ziemlich bald auszog weil die Sonne ziemlich niederbrannte. Ich hatte keinen Rucksack, keine Trinkflasche, rein gar keinen Ballast, der mich an einer Spitzenzeit hindern konnte. Im Vorfeld der Wanderung ging ich extra nicht aufs Klo um so, wie die Kamele in der Wüste, Feuchtigkeit in meinem Höcker als Reserve aufzubewahren.  Clever nicht?

Nach 20 Minuten befand ich mich erst am Ende der obersten Skilifte des Torrent-Gebiets angelangt. Ich schleppte mich weiter den Berg hoch. Mein Puls und meine Atemkadenz waren am oberen Anschlag und jetzt wurde es erst richtig steil. Ich fühlte deutlich, dass mir der Saft in den Beinen fehlte, dafür hatte ich genug in der Blase. Irgendwie klappte meine Kamel-Höcker-Methode nicht. Keuchend und mit Druck auf der Blase stieg ich weiter hinauf. In der Zwischenzeit war ich auf dem Gratweg angelangt. Hier gabs keine Möglichkeit schnell Wasser zu lassen, da stetig andere Wanderer vom Berg abstiegen. Das Terrain wechselte jetzt von Gras zu Geröll. Es wurde noch steiler. Der Schweiss schoss mir aus den Poren, was in meinem Körper eine Aufwärts-Saugbewegung bewirkt haben muss, denn mein Klo-Drang war plötzlich weg.

Wie im Wahn stieg ich unter grässlichen Schmerzen höher und höher. Links und rechts vom Grat gings steil abwärts und ich lief hier am Limit zwischen Spontanschwindel und Laktat-Husten-Elend durch die Gegend. Ich glaube, meine Familie da unten sollte sich eher Sorgen um mich machen als ich um sie. Als ich endlich den Schafsberg erreicht hatte gings eine weite Geröllfläche hoch zum Torrenthorn. Da sah ich vor mir ein Gruppe Sport-Wanderer. Im totalen Verfolgungswahn holte ich die Posse bald ein. Wie sich herausstellte waren es keine durchtrainierte Berg-Rambos sondern nur eine holländische Familie. Hallo?! Wie wenig Würde muss man in sich haben, wenn man darauf stolz ist, hier eine Familie zu überholen die aus einem Land kommt wo’s null Berge hat? Als ich genüsslich schnaubend an ihnen vorbeizog, merkte ich wie sich der älteste Teenager-Sohn an meine Fersen heftete. Verdammt. Das könnte hier wirklich noch hässlich enden für mich, wenn ich in meiner Kolumne schreiben müsste, dass ich kurz vor dem Gipfel meines Hausbergs noch von einem pickligen, unerfahrenen Niederländer gedemütigt wurde. Ich weiss ja nicht wie, aber der Gedanke genau das hier schreiben zu müssen, zündete bei mir den Nachbrenner. Ich rannte jetzt die letzten 300 Meter zum Gipfel hoch. Wie ein Besessener kramte ich meine Handy-Stoppuhr hervor: 55 Minuten! Wahnsinn! Neuer Rekord – und das in meinem biblischen Alter. In dieser Gipfelsturm-Euphorie, schrieb ich meiner Mutter eine SMS und rannte den ganzen weiten Weg wieder runter. Nonstop. Nach 35 Minuten Down-Hill in den Beinen war ich wieder lebend in der Rinderhütte angekommen. Die Familie war wieder vereint und das war gut so. Nur hatte ich in den folgenden Tagen einen Muskelkater, dass mir bei jedem verdammten Schritt schlecht wurde.